13 Einfacher und zusammengesetzter Satz   (•• 13, •• Satz)

13-1 Einleitung

Die Struktur der Phrasen und ihre Beziehungen zueinander folgen in der filipinischen Sprache verhältnismäßig festen Regeln. Dies ist beim Bau komplizierterer Sätze nicht länger der Fall. Nahezu alle Gebilde, die semantisch verständlich sind, werden grammatikalisch akzeptiert. Dies erschwert eine systematische Betrachtung des Baus komplizierterer Sätze (Beispiel {13A-101 Σ}).


13-1.1 Einfacher und zusammengesetzter Satz

(1) Mit Hilfe des Begriffs Teilsatz (Schlüssel {S-..}, sugnạy) kann der einfache Satz (Schlüssel {S-1}, pangungusap na payạk), der aus nur einem Teilsatz besteht, von einem zusammengesetzten Satz (Schlüssel {S-Tb}, pangungusap na tambalan) mit mehreren Teilsätzen unterschieden werden.

(2) Wir definieren einen Teilsatz dadurch, dass er ein Prädikat besitzt [1a 1b 2a 2b]. Ist der Teilsatz verkürzt [2b], muss er zu einem einfachen Satz mit diesem Prädikat erweitert werden können [2c]. Damit schließen wir unabhängige Phrasen [3] und einige Gebilde mit Konjunktionen [4] als Teilsätze aus.

 
[1][a b] Iniisip ko rin || kasị na bak masaktạn sa aking sasabihin. {W Estranghera 3.3}. Ich dachte auch, dass sie vielleicht von meinen Worten verletzt war.
[2][a b] Dinalạ niyạ ang butọ || upang iuw sa kanyạng tirahan. {W Äsop 3.3.1} Er trug den Knochen, um ihn nach Hause zu tragen.
 [c] Iuuw niyạ ang butọ sa kanyạng tirahan.
[3]Paglabas ko ng banyo, isạng matabạng matandạng lalaki ang naghihintạy sa akin. {W Damaso 3.6} Als ich aus dem Bad kam, wartete ein dicker alter Mann auf mich. {5A-321 Σ}
[4]Kay namạn ibạng-ibạ ang pakiramdạm ko nang araw na iyon. {W Damaso 3.2} Deshalb waren von diesem Tage an meine Gefühle völlig anders. {13-4.2.1 (3)}
Fettdruck = Prädikat. Unterstreichen = Phrase, kein eigener Teilsatz.

(3) Viele Teilsätze, aber auch Attribute werden mit einer Ligatur verbunden. Ein solches Attribut kann erweitert werden, so dass ein Ligatursatz entstehen kann {13A-441 Θ}. Konjunktionen können Teilsätze einleiten, aber auch innerhalb von Teilsätzen verwendet werden (als Konjunktion oder als Adverb). Für verknüpfungslose Teilsätze bestehen keine festen Regeln bezüglich trennender Satzzeichen; auch werden Satzzeichen zur Abtrennung von unabhängigen Phrasen verwendet.


13-2 Der einfache Satz

13-2.1 Regelsätze

Wir teilen einfache Sätze in zwei Gruppen ein, Regelsätze und Nicht-Regelsätze. Unter einem Regelsatz (pangungusap na batayạn) verstehen wir einen einfachen Satz, der Prädikat, Subjekt und möglicherweise unabhängige Phrasen besitzt {1-5.1 (4)}. Seine Struktur ist

{P-P} {P-T} {P-../L}

(2) Besondere Formen der Regelsätze sind Imperativsätze {13-2.1.3} und Fragesätze {12}.

(3) Die Reihenfolge von Prädikat und Subjekt kann unterschiedlich sein; das macht den Satzbau sehr flexibel. Es gibt jedoch eine vorzugsweise verwendete kanonische Reihenfolge (ayos na karaniwan), bei der das Subjekt nach dem Prädikat folgt. Umgekehrt ist die nichtkanonische Reihenfolge (ayos na kabalikạn). Bis heute gibt es linguistische Diskussionen, wann welche Reihenfolge "angemessen" ist {13A-211}. Im Schlüsselsystem wird der Schlüssel der Reihenfolge an den Schlüssel des Teilsatzes gefügt {14A-9}.

Die nachfolgenden Ausführungen gelten gleichermaßen für den einfachen Satz und für Teilsätze.


13-2.1.1 Kanonische Reihenfolge

(1) Die kanonische Reihenfolge von Prädikat und Subjekt wird in der Umgangssprache fast regelmäßig angewandt und vorwiegend in der Schriftsprache. Das Kernwort des Prädikats steht vor dem Subjekt. Sätze mit kanonischer Reihenfolge werden mit dem Schlüssel {S-../PT} bzw. {S-../YPT} gekennzeichnet.

 
[1]Noọn ipinatong ng lobo ang mga paa sa katawạn ng kambịng. {W Äsop 3.1.2} Zuerst [damals] stellte der Wolf seine Füße auf den Körper der Ziege.
[2]Katulad sa mga bangkạng papẹl ay nawal ang kaniyang bulto sa aking paningịn. {W Pagbabalik 3.18} Wie Papierschiffchen verschwanden seine Sachen aus meinen Augen.
Fettdruck = Prädikat. Unterstreichen = Subjekt.


13-2.1.2 Nichtkanonische Reihenfolge

(1) Bei nichtkanonischer Reihenfolge steht das Subjekt vor dem Prädikat. Vor das Prädikat wird das Bestimmungswort ay gesetzt [1]. Die Schlüsselbezeichnung ist {S-../TYP}.

(2) In vielen Fällen liegen besondere Gründe vor, wenn die nichtkanonische Reihenfolge gewählt wird.

 
[1]Si Lino ay nakapantalọn ng kaki at nakabaro ng polo na may matutuwịd na guhit na bughạw. {W Daluyong 4.1} Lino trug lange Hosen aus Khaki und ein Polohemd mit blauen Streifen.
[2]Sa aming pagkakaalạm, itọ'y kauna-unahang pagtatangk. {W Tiongson 4.1} Unseres Wissens ist dies das erste Vorhaben.
[3]Palatanọng kasị si Joe at si Nimfa namạ'y naghahanap nang makakausap ukol sa kanyạng mga sinusulat. Weil Joe und Nimfa wirklich neugierig waren, suchen sie das Gespräch über das, was sie (Nimfa) schreibt. {13A-452 Σ}
[4]Wal siyạng kaimịk-imịk habang akọ'y nagsasalit. Er sagte nichts, während ich sprach.
[5]Si Mameng ay sumusulat. { Lopez 1941 p. 38} Mameng schreibt.
Fettdruck = Prädikat (bzw. dessen Kernwort). Unterstreichen = Subjekt.

(3) Einige Gruppen von Regelsätzen werden nur sehr selten in nichtkanonischer Reihenfolge gebildet. Dazu gehören

(4) Die nichtkanonische Reihenfolge kann als besonderes Stilmittel verwendet werden {W Stat P-S 3.1 "Daluyong"}. In der Umgangssprache sind Sätze in nichtkanonischer Reihenfolge selten.


13-2.1.3 Imperativsätze

(1) Im Allgemeinen sind Imperativsätze (pangungusap na pang-utos) Regelsätze. Vorzugsweise werden sie mit Verben und in kanonischer Reihenfolge gebildet [1]. Auch gibt es subjektlose Nicht-Regelsätze [2], ebenfalls Interklitgebilde [3]. Das Verb steht in der Regel im Infinitiv [1-3]. Die filipinische Sprache besitzt keine besondere Imperativform (pautọs).

Semantisch gibt ein Imperativsatz nur Sinn, wenn der Angesprochene als potenzieller Täter die Tat ausführen oder veranlassen kann. Damit zusammenhängend, werden Imperativsätze in der Regel mit einfachen Verben gebildet [1-3]; mit Verben der Fähigkeit ist dies nicht möglich [5a]. Verneinende Imperativsätze werden mit dem Potenzialadverb huwạg (hind) gebildet [3].

 
[1]Hoy! Umalis ka riyạn at bak ilublọb kitạ sa putik. {W Angela 3.5} Verschwinde nach Hause [nahe zu dir], sonst wälze ich dich im Dreck.
[2]Bilisạn mo. Beeil dich. (Subjektloser Satz.)
[3] Huwạg po ninyo akong iwan, Inay! {W Angela 3.22} Mutter, du darfst mich nicht verlassen.

(2) Weil sich Imperativsätze sich nicht wesentlich von Aussagesätzen unterscheiden, kann der Imperativsatz formal zu einem Aussagesatz gemacht werden, wenn ihm ein Adverb zugefügt wird ('optative particle' bei { Kroeger 1991 p. 111f.}) [4 5b].

 
[4]Tulungan ka sana ni Ate. Lass dir von Ate helfen. (Aussagesatz, der einen Wunsch ausdrückt. Es ist unerheblich, ob der Angesproche potenzieller Täter sein kann.)
[5][a] Mahuli mo ang daga. [b] Mahuli mo nga ang dag. Versuche, die Maus zu fangen.

(3) Verblose Imperativsätze sind seltener, vermutlich wegen der mangelnden spezifischen Erkennung [6-8]. In vielen Fällen werden diese verblosen Imperativsätze vermieden, indem ein passendes Verb verwendet wird [9-11].

 
[6]AdjektivTahimik na! Tahimik na kayọ! Ruhe jetzt! Seid ihr jetzt ruhig!
[7]SubstantivMabuti kang bata! Sei ein gutes Kind!
[8]Präpos.-Phr.Nasa paaralạn na kayọ mamayạ alas tres ng hapon! Seid um 15.00 Uhr in der Schule!
[9]VerbTumahimik ka. Manahimik ka. Sei still!
[10]VerbMagịng mabuti kang bata. Sei ein gutes Kind!
[11]VerbPumasok kayọ sa paaralạn mamayạ alas tres ng hapon! Betretet um 15.00 Uhr die Schule!

Orthografisch erhalten Imperativsätze einen Punkt, ein Ausrufezeichen kann zu ihrer besseren Erkennung gesetzt werden.


13-2.2 Nicht-Regelsätze

Als Nicht-Regelsätze (pangungusap na di-batayạn) bezeichnen wir Sätze mit einem Satzbau, der von dem der oben dargestellten Regelsätze abweicht. Dazu gehören Interklit-, Interpotenzialsätze und subjektlose Sätze.


13-2.2.1 Sätze mit Subjektinterklit oder Subjektinterpotenzial

(1) Der häufigste Nicht-Regelsatz ist der Subjektinterklit. Das semantische Subjekt des Satzes ist ein enklitisches Pronomen; syntaktisch besitzt der Satz kein Subjekt {11-6.3 (3) Θ}. Das Pronomen wird vor das Kernwort des Prädikats gestellt [1].

(2) Im Subjektinterpotenzial {9-6.1.1} besitzt das Subjekt sein Bestimmungswort, steht jedoch vor dem Kernwort des verbalen Prädikats [2]. Da vor diesem eine Ligatur und nicht das Bestimmungswort des Prädikats steht, zählen wir diese Gebilde zu den Nicht-Regelsätzen. Die Ähnlichkeit mit dem Subjektinterklit ist auffällig.

 
[1]Agạd itọng tumalọn sa balọn. {W Äsop 3.1.2} Sofort sprang sie in den Brunnen.
[2]Gustọ ni Linda si Rita na mag-aral nang mabuti. Linda möchte, dass Rita fleißig lernt.


13-2.2.2 Sätze ohne Subjekt

(1) Ein Satz drückt einen vollständigen Gedanken aus (buọng kaisipạn). In vielen Fällen stellt das Prädikat bereits den vollständigen Gedanken dar, so dass der Satz aus semantischen Gründen kein Subjekt benötigt (Schlüssel {S-../P0} oder {S-../YP0})

 
[1][a] Umuulạn na. Es regnet (bereits). [b] Paskọ na namạn. Weihnachten ist da.
[2]Kailangang maligo araw-araw. Man soll täglich baden.
[3][a] Tao p. Hallo, ist hier jemand zu Hause?
 [b] Kaygandạ nang tanawịn sa dagat. Wie schön aufs Meer zu blicken.

(2) Ebenso ohne Subjekt sind


13-2.2.3 Ankündigungssätze von direkter Rede

Die direkte Rede (pagsasalitạng sinipi) ist ein zusammengesetzter Satz. Der Ankündigungssatz (sugnạy ng pagpapahayag) steht im Allgemeinen nach der direkten Rede und ist ein subjektloser Nicht-Regelsatz [1 2]. Wie die Beispiele [3 4] zeigen, können auch andere Gebilde den Ankündigungssatz bilden. Eine Besonderheit sind die Bildungen mit a- [5].

 
[1] "…," nasambịt ni Camille. { LIW 12 Dis 2005 Camille, Angelica} "…", erwähnte Camille nebenbei.
[2] "…," sabi sa kanyạ ni Russel. {W Unawa 3.2} "…", sagt(e) Russel zu ihr.
[3] "…," ang kanyạng inạ. {W Unawa 3.9} "…", sagte ihre Mutter.
[4] "…," nabasag ang kanyạng boses. {W Unawa 3.9} "…", sagte sie mit gebrochener Stimme.
[5][a] "Nay," aniyạ. {W Unawa 3.10} |a+niya| "Ja, Mutter", sagte sie.
 [b] "…," anạng babae. {W Karla 5.205} |a+ng| "…", sagte die Frau.
 [c] "Halika, ibubulọng ko sa'yọ," anị Buwaya. {W Gubat 3.6} |a+ni| "Komm her, ich werde dir etwas zuflüstern", sagte das Krokodil.

Steht am Ende der direkten Rede ein Punkt, so wird dieser vor dem Ankündigungssatz durch ein Komma ersetzt [6]. Andere Satzzeichen bleiben erhalten [7].

 
[6] "Maliịt pa akọ," sabi ni Ana. "Ich bin noch klein", sagte Ana.
[7] "Sino po kayọ?" tanọng ng tanọd. "Wer sind Sie?", fragte der Ortsteilpolizist.


13-2.2.4 Satzbrüche

Unter Satzbrüchen verstehen wir Sätze, die keine einheitliche syntaktische Struktur besitzen. Ein Satz wird begonnen, dann in einer anderen Syntax fortgesetzt. Dabei entstehen zwei oder mehrere Teile, von denen keiner (oder zumindest nicht alle) einen grammatikalischen Teilsatz bildet. Dies geschieht in der gesprochenen Sprache häufig und oft unbeabsichtigt [1b]. In der geschriebenen Sprache können Satzbrüche als Stilmittel eingesetzt werden, sind jedoch selten [2]. Mit Hilfe von Satzbrüchen können Sätze mit nichtkanonischer Reihenfolge von Prädikat und Subjekt vermieden werden (kein ay nach ang kanyạng inạ in [2]).

 
[1][a] Si Rita, nasaạn na siyạ? [b] Si Rita, nasaạn na? Rita, wo ist sie bloß?
[2]Ang kanyạng inạ, tuwịng mamalẹngke itọ ay madalạs siyạng isinasama. {W Unawa 3.3} Ihre Mutter, jedes Mal, wenn sie zum Markt geht, wird oft von ihr begleitet.
[3]Kamị, magpapahingạ. Kayọ, magtatrabaho. Wir werden uns ausruhen, und ihr werdet arbeiten. (Bei {Schachter 1972 p. 493} werden Sätze dieser Art als 'contrastive inversion' betrachtet.)


Die filipinische Sprache von Armin Möller   http://www.germanlipa.de/filipino/sy_usap_1.html
18. April 2010 / 03. Oktober 2018

Syntax der filipinischen Sprache
Ende 13 Einfacher und zusammengesetzter Satz (Datei 13/1)

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